Mittwoch, 15. Mai 2013

13:00 Uhr: Landung in Cairns, es regnet, die Frisur hält



Nach 3 ½ Stunden Flug befinden wir uns schließlich im Landeanflug auf Cairns. Als wir die Wolkendecke durchbrechen, habe ich das Gefühl in ein ganz anders Land geflogen zu sein. Im Gegensatz zu der Landschaft, die ich die letzten Monate über gesehen habe, ist hier einfach mal alles satt grün. Ich mache mich zu Fuß auf den Weg in die Stadt. Es regnet Bindfäden, es ist schwül und es ist warm. Gut, die Regenzeit ist wohl noch nicht ganz vorbei, stelle ich fest.

 
In Cairns bleibe ich nur eine Nacht , denn ich werde morgen früh nach Helenvale fahren, um dort bei einer Frau namens „Waratah“ zu wwoofen. Diesen Tag nutze ich aber noch, um mir Cairns etwas anzugucken. Viel zu sehen gibt’s nicht wirklich. Jede Menge Reisebüros, Touri-Souvenirshops und natürlich auch die dazugehörigen Touris. Alles lebt hier nur vom Great Barrier Reef. Von hier starten die meisten Touren. Ich habe auch noch vor eine Schnorcheltour zu machen, später. Erstmal will ich Richtung Norden.
Deshalb heißt es für mich erneut früh aufstehen am nächsten Morgen. Helenvale ist nicht allzu weit entfernt von Cooktown, der nördlichsten Stadt an der australischen Ostküste. Die Fahrt dauert über vier Stunden, die aber keineswegs langweilig sind. Es geht durch tropischen Regenwald, Berge rauf und runter und an riesigen Bananen- und Zuckerrohrplantagen vorbei. Zum Abschluss der Fahrt kommt sogar das erste Mal die Sonne raus.
In Helenvale angekommen werde ich von Ruth und ihren vier kleinen Töchtern in Empfang genommen, da Waratah noch auf Arbeit ist. Ich verbringe den Nachmittag bei ihnen, werde ausgiebigst von den Mädels unterhalten und bekomme ungefähr 10.000 Bilder gemalt. Gegen Abend kommt schließlich Waratah vorbei und wir fahren in mein zu Hause für die nächsten zwei Wochen. Um zu ihrem Grundstück zu kommen, müssen wir erstmal ein ganzes Weilchen durch dichten Wald fahren und auch ein paar Bäche überqueren.

Ein Stück tropischer Regenwald auf dem Weg zu Waratah's Grundstück.

Der Wald blüht.

Das Grundstück.

Hund Charlie wohnt auch hier.
Allgemein scheint das Leben hier oben im Norden grundlegend unterschiedlich zu sein, zu dem was ich bisher in Australien kennengelernt habe. Angefangen bei den Häusern, die teilweise ziemlich abgefahren sind. Ruth und ihre Famlilie zum Beispiel wohnen in einer Art Scheune, die zur einen Seite komplett offen ist. Im Prinzip kann man sich das Ganze wie ein Puppenhaus vorstellen. Regelmäßige Schlangenbesuche sind da an der Tagesordnung, wie mir von den Mädels lebhaft berichtet wird. Auch die Leute sind hier komplett anders. Ziemlich nett, aber auch irgendwie etwas durchgeknallt. Ist wohl die ständige Hitze hier.
Bei Waratah gab es heute ebenfalls tierischen Besuch. Ein Dingo hat sich ins Haus geschlichen und eine Papaya sowie eine Packung Reiscracker verdrückt. Bevor es ins Bett geht, sitzen wir noch etwas auf der Terrasse und unterhalten uns. Waratah arbeitet in einer Aborigine Community und erzählt mir einiges über das heutige Leben der Aborigines. Sie scheint ganz nett, aber auch sehr alternativ zu sein. Vielleicht etwas zu alternativ für meinen Geschmack. Eigentlich hieß sie wohl mal „Lisa“, aber irgendwer hat ihr im Traum erzählt, sich in „Waratah“ umzubenennen. Na gut, jedem das Seine, denke ich mir.
Der nächste Morgen startet dann erst mal mit einem ordentlichen Frühstück. Unter anderem gibt es Papaya und Banane frisch aus dem Garten. Danach fahren wir nach Cooktown, denn da ist heute Markttag. Auf dem Markt herrscht ein buntes Treiben und eine ausgelassene Stimmung. Jeder, der was zu verkaufen hat, stellt sich einfach hin. Zudem wird sich angeregt unterhalten und der aktuelle Klatsch und Tratsch aus Cooktown ausgetauscht.

In Cooktown holen wir außerdem noch eine weitere Wwooferin ab, Lucie aus Brasilien. Ich freue mich über Verstärkung…noch! Lucie ist Anfang 50, im Prinzip auch ganz nett, aber auch ein bisschen komisch, wie ich mit der Zeit so feststelle. Zusammen mit Waratah eine Kombination, die mich manchmal an den Rande des Wahnsinns treibt. Waratah hat, ich nenne es mal interessante, Ansichten über Medizin und Gesundheit. Zum Beispiel verursacht Sonnencreme ihrer Meinung nach Krebs. Ihre Weisheiten gibt sie dann gerne noch mit einem Oberlehrerinnen-Unterton preis. Lucie war schon zweimal verheiratet, lebt mittlerweile in den USA und meditiert regelmäßig seit Neuestem. Auf Arbeiten hat sie eigentlich keine so große Lust.

Lucie.
Na ja, so im Nachhinein war es ja schon irgendwie komisch und nett waren sie ja beide wirklich. Zu meinem Geburtstag organisieren die beiden eine Überraschungsparty für mich. Waratah hat ein paar Nachbarn eingeladen, die ich zwar alle noch nicht kenne, aber total nett sind. Es gibt etwas leckeres zu Essen und später bekomme ich sogar einen Geburtstagskuchen mit einem dazupassendem Geburtstagsständchen :-).

Arbeiten tun wir meistens im Garten. Viel Garten ist derzeit allerdings nicht zu erkennen. Ein Sommer ohne Unkraut jäten in den Tropen und der Garten gleicht nem Dschungel. So sind wir die meiste Zeit beschäftigt, den Garten für den Winter flott zu machen, sprich: Rasen mähen, Unkraut jäten (auch gerne mal mit der Machete), Kompost und Mulch auftragen und so weiter. Dabei stelle ich dann auch fest, was tropisches Wetter bedeutet. Hier ist es immer noch feucht und heiß. Wohl nichts im Vergleich zum Sommer, aber mir reicht DAS schon. Sobald ich nur den kleinen Finger rühre, fang ich an aus jeder noch so kleinen Pore zu schwitzen. Abkühlung schafft da nur ein Sprung in die krokodilfreie Lagune direkt vor dem Haus.

Hühner unterm Papayabaum.

Blüten des Papayabaums.

Wilkommen zu einer weiteren Ausgabe der Talkshow "Huhn aktuell". Thema heute: Hühnerstreik gegen ungerechte Arbeitszeiten - Hähne fordern kein Krähen vor 6 Uhr.

Ich stimme voll zu. Unsere Männer haben schließlich auch mal etwas Schlaf verdient. Und ganz nebenbei geht mir das ständige Gekrähe auch etwas auf die Nerven.

Dieses junge Huhn möchte keinen Kommentar abgeben. Gut, hier wird keiner gezwungen.




Blüte der Passionsfrucht.

Große Spinnen wie dieses Exemplar sind hier keine Seltenheit.

Nest der grünen Ameise.

Garten? Wo?

Ahh...da.

Nach dieser schweißtreibenden Aufgabe hab ich mir definitiv einen Sprung ins kalte Nass verdient.
Neben der ganzen Gartenarbeit stehen natürlich noch weitere Aktivitäten an. An einem Tag darf ich mit in die Aborigine Community Wujal Wujal („Viele Wasserfälle“) kommen. Waratah organisiert Aktivitäten für die Aborigines und heute ist Fischen angesagt. In der Wujal Wujal Community leben die Kuku Yalanji. Es gibt wohl sehr viele verschiedene Völker und jedes Volk hat seine eigene Sprache. Traditionell waren die meisten Aborigines Nomadenvölker und reisten von einem Ort zum anderen, um Nahrung zu finden. Im Zentrum ihres spirituellen Denkens stand die Traumzeit, in der durch die Ahnengeister (z.B. das große Känguruh) Land, Pflanzen und Tiere erschaffen wurden. Das Wissen wurde durch Traumzeit-Geschichten weitergegeben. Mit der Ankunft der europäischen Siedler in Australien veränderte sich das Leben der Aborigines grundlegend.  Durch die Landwirtschaft wurde die Lebensgrundlage der Aborigines zerstört, was zu brutalen Auseinandersetzungen führte. Bis 1949 galten Aborigines nicht als gleichwertige Staatsbürger. Bis etwa 1970 wurden etwa 30.000 Kinder von Aborigines Zwangsadoptiert, damit sie den „weißen“ Lebensstil annehmen würden. In dieser Zeit wurden die Aborigines ebenfalls missioniert, so dass der Großteil heute christlich ist. Das erzählen von Geschichten ist trotzdem noch ein wesentlicher Bestandteil der Aborigine-Kultur.
Heutzutage gibt es viele Probleme unter den Aborigines. Das Größte ist der Alkohol. Das Bild vom betrunkenen und gewalttätigen Aborigine, der auf der Straße rumlungert, ist leider kein Vorurteil, sondern häufig Realität. Grund dafür ist nicht der im Vergleich zur weißen Bevölkerung höhere Alkoholkonsum, sondern ein fehlendes Enzym. Selbst geringe Mengen führen daher bei Aborigines zu auffälligem Verhalten und Abhängigkeiten. Während die Älteren oft noch eine traditionelle Lebensweise führen, sind vom Alkoholismus vor allem die jüngeren Generationen betroffen. Die alkoholabhängigen Eltern sind oftmals nicht in der Lage, ihre Kinder zu erziehen, zu ernähren und sicherzustellen, dass sie in die Schule gehen. In Folge dessen setzt sich das Problem in den nächsten Generationen fort. Natürlich betrifft das nicht die gesamte Aborigine Bevölkerung und es gibt auch viele positive Beispiele.
Heute ist auf jeden Fall erstmal Fischen angesagt. Da bei solchen Aktivitäten nie Frauen und Männer zusammen losziehen, brechen wir mit der Frauentruppe auf. Mit Doreen, Alma, Linda, Cathleen und Te’areni (oder so ähnlich) geht’s bei bestem Wetter im Allradbus Richtung Strand. Zu einem ziemlich schönen Strand muss ich noch hinzufügen.
Als wir ankommen, machen die Frauen erstmal ein Lagerfeuer und backen Brot über dem Feuer. Geangelt wird nur mit Haken und Schnur. Ich stelle mich nicht wirklich geschickt an und fange so garnichts. Die anderen sind da etwas geübter und ziehen einige Fische aus dem Wasser. Anschließend wird der Fisch über dem Feuer gegrillt und in gemeinsamer Runde gegessen. Trotz fehlendem Anglerglück kriege ich auch etwas ab. So frischen Fisch habe ich bisher glaube ich noch nie gegessen. Nach einigen Stunden geht es dann leider schon wieder zurück. Das war auf jeden Fall ein einmaliges Erlebnis und ich fühle mich irgendwie geehrt, daran teilgehabt haben zu können.



Urgroßmutter Doreen - gleichzeitig eine der "Elder" in der Community. Laut Wikipedia "die Lehrer der Traditionen, des Wissens über das Leben und der Traumzeit".

Cathleen mit Tochter Te'areni beim Angeln.



Linda (Tochter von Doreen und Mutter von Cathleen).

Kross!


Links ist übrigens Waratah.

Wie sich herausstellt, werde ich eine Woche darauf einige der Frauen nochmal wiedertreffen können. Heute steht ein Ausflug nach Cooktown auf dem Plan. Tagsüber wollen die Frauen an einem Erste-Hilfe-Kurs teilnehmen und abends gibt es in der Schule von Cooktown eine Abendveranstaltung für Frauen mit Konzert (die Aufteilung in Frauen- und Männeraktivitäten scheint generell sehr australisch zu sein). Doreen und Alma sind auch wieder mit dabei und diesmal kommt noch Gloria mit, die auch in irgendeiner Verwandschaftsbeziehung zu den anderen steht. Auf der Fahrt nach Cooktown legen die Frauen ihre Lieblings-CD’s ein. Es läuft der Country Hit Mix. Mir gefällt’s. Unterwegs sehen wir einen Anhalter, können ihn aber nicht mitnehmen, da wir schon voll sind.
In Cooktown angekommen, werde ich von den anderen abgesetzt und mache mich alleine auf eine Erkundungstour durch die Stadt. Wie die meisten Kleinstädte Australiens ist auch Cooktown nicht wirklich groß und alles ist fußläufig erreichbar. Cooktown wurde nach Captain Cook benannt, der mit seinem Schiff der "Endeavour" und Besatzung 1770 als erster Europäer Australien umsegelte und betrat. Kurz nach dem ersten Landgang lief das Schiff etwas weiter südlich am Cape Tribulation auf Riff auf und die Mannschaft war gezwungen, in Cooktown an Land zu gehen. Dabei gab es die ersten (friedlichen) Kontakte zwischen Europäern und Aborigines.
Cooktown scheint auf jeden Fall eine sehr hübsche kleine Stadt zu sein, die noch nicht durch den Tourismus verschandelt ist und auf die ihre Einwohner zudem ziemlich stolz sind. Jedes Mal, wenn ich hier im Postamt Postkarte verschicke, wird immer besonders darauf hingewiesen, dass die Briefmarke mit dem Cooktown-Gedenk-Stempel abgestempelt wird.
Meine Erkundungstour führt mich zunächst zum Grassy Hill Lookout, von dem aus man einen tollen Blick auf Cooktown und dem nach dem Schiff benannten Fluss Endeavour hat. Hier wurde übrigens auch das erstmal ein Känguruh von Europäern gesichtet. Danach geht es auf einer Kurzwanderung zur Cherry Tree Bay, einer kleinen verlassenen Bucht, die nur fußläufig oder mit Schiff erreichbar ist. Hier teste ich meine neueste Errungenschaft, ein Bumerang, aus. Mit mäßigem Erfolg, denn dafür dass der Bumerang eigentlich zurückkommen sollte, muss ich noch verdammt viel laufen. Es gibt dutzende von Formen von Bumerangs. Früher wurden von den Aborigines überwiegend die nicht wiederkehrende Varianten zur Jagd genutzt.




Blick vom Grassy Hill Lookout auf den Fluss Endeavour.



Wanderweg zur Cherry Tree Bay.

An Schmetterlingen gibt es hier viele prachtvolle Arten, vor die Linse gekriegt hab ich leider nur dieses Exemplar.

Cherry Tree Bay.

Diese Sandkügelchen werden von kleinen Krabben, die sich in den Sand eingraben, gebildet.

Auch wenn das Wasser angenehm warm und verlockend ist, gehe ich nur mit den Füßen rein. Es ist immer noch Würfelquallensaison.

Mount Cook.

Finch Bay.



Nach meinem Abstecher zum Strand geht’s wieder in die Stadt zurück. Dort treffe ich den Anhalter von heute Morgen und komme mit ihm ins Gespräch. Er erzählt mir, dass er Krebs hatte und nun durch Australien reist. Er berichtet unter anderem von seiner letzten Nacht am Strand, in der ein Krokodil nur etwa drei Meter entfernt an ihm vorbeilief. Krokodile gibt es hier oben im Norden einige. Süßwasserkrokodile sind wohl noch die eher harmloseren Zeitgenossen. Salzwasserkrokodile hingegen, die an Flussmündungen leben, sollen ziemlich aggressiv und auch ziemlich groß sein. Exemplare von sechs Metern Länge sind wohl keine Seltenheit.


Zugegeben, in Australien gibt es viele gefährliche Tiere. Statistisch ist es aber sogar wahrscheinlicher von einer herunterfallenden Kokosnuss erschlagen zu werden, als von Schlagen, Spinnen oder Krokodilen aufgefressen zu werden. Na ja, hab ich gehört ;-)


Abends treffe ich dann die anderen in der Schule wieder. Zunächst gibt es ein leckeres Barbecue. Unter anderem wird Krokodil aufgelegt. Dazu fällt mir nur ein „Fressen und gefressen werden“. Vor dem eigentlich Konzert kriegen wir noch eine kleine Line-Dance-Einlage von zwei betagten Aborigine Frauen geboten. Es scheint, als würden Aborigines wirklich ziemlich auf Country stehen. Das Konzert wird von einer jungen Aborigine-Frau gegeben. Sie hat eine wirklich schöne Stimme und erzählt die Geschichte von ihrer Familie in ihren Liedern.
Danach geht’s erstmal wieder zurück nach Wujal Wujal bevor wir dann endlich nach Hause fahren können. Die ganze Fahrerei dauert dann nochmal zwei Stunden und ich bin ganz schön platt danach. Ins Bett gehen kann ich allerdings noch nicht, denn ich muss noch Sachen packen. Morgen früh geht die Reise für mich schon wieder weiter. Weiter nördlich geht’s aber nicht, sondern zurück Richtung Süden. Ich habe einen kleinen Abstecher in Cape Tribulation geplant.
Am nächsten Morgen bringt Waratah mich zum Bus. Der Bus, der nur alle zwei Tage fährt, hat erfahrungsgemäß mindestens eine halbe Stunde Verspätung, manchmal kommt er auch garnicht. Als die obligatorische halbe Stunde rum ist, fährt Waratah mich zum nächsten Haltepunkt, denn hier gibt es zumindestens eine Telefonzelle (Handyempfang ist hier Fehlanzeige) und zur Not kommen hier ein paar mehr Autos vorbei, die mich mitnehmen können. Gut zu wissen, denke ich mir. Dann drückt Waratah mir noch eine Orange in die Hand und weg ist sie.
Ich versuche erstmal, das Busunternehmen anzurufen. Telefon tot. Nach einer weiteren halben Stunde Warten, fange ich langsam an, mich mit meinem Schicksal abzufinden und setz mich erstmal hin, um die Orange zu essen und auf ein weiteres vorbeikommendes Auto zu warten (bisher war es nur eins). Gerade in dem Moment kommt dann doch noch der Bus. Etwas erleichtert bin ich ja schon.

1 Kommentar:

  1. Liebe Franzi,
    ich muss sagen, von Garten in unserem Sinne kann man bei Waratah wirklich nicht sprechen. Du hast bestimmt gespürt, was du gemacht hast, als du mit deiner Arbeit fertig warst. Du warst wirklich fleißig.
    Liebe Grüße Mama

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