Montag, 21. Oktober 2013

Porridge, Pfannkuchen und nasse Füße

Die kommenden Tage versprechen abenteuerlich zu werden. Für die Tour haben wir alles dabei: Zelt, Isomatten, Schlafsäcke, Kochausrüstung usw. Ich hab mir extra einen neuen Schlafsack gekauft: Komforttemperatur: -8°C! Ich fahre zum ersten mal per Anhalter, aber Lisa hat schon einige Erfahrungen in Australien gemacht (gute natürlich). Na ja, erstmal muss uns überhaupt jemand mitnehmen, eine halbe Stunde ungefähr warten wir schon. Aber das Warten ist ganz angenehm, denn es ist die letzten Tage etwas wärmer geworden und auch die Sonne scheint wieder. Unser erstes Reiseziel soll uns erstmal an die Westküste Neuseelands führen. Sie ist bekannt für ihr raues Temperament, bizarre Felsformationen, endlose Sandstränden und beeindruckende Regenwälder, aber auch für unbeständiges, häufig verregnetes und stürmisches Wetter.
Nach einiger Zeit des Wartens hält schließlich ein Päärchen mittleren Alters für uns an. Wir quetschen uns mit unseren Rucksäcken auf die Rückbank und verharren in einer ziemlich unbequemen Sitzposition aus. Hat ja keiner gesagt, dass das eine Kaffeefahrt wird.
Die beiden sind schon irgendwie speziell. Er ist eher so der Alt-Rocker-Typ und unterhält sich ab und zu mit uns. Nach ner Weile zeigt er uns seine Halskette mit nem Anhänger: ein stattlicher Goldklumpen, den er beim Umgraben seines Gartens gefunden hat. Dort in der Nähe wurde nämlich wohl vor vielen Jahren Gold abgebaut und dieser eine Stein muss irgendwie verloren gegangen sein.
Sie hingegen scheint nicht so recht Lust auf Anhalter zu haben und spricht kein Wort mit uns.
Als wir etwa eine viertel Stunde von Arthur's Pass weg sind, ändert sich das Wetter schlagartig und wir merken, dass wir tatsächlich Richtung Westen fahren. Es wird immer bewölkter und fängt schließlich an zu regnen.
Nach etwa anderthalb Stunden werden wir wieder abgesetzt. Wir befinden uns jetzt in Greymouth, der größten Stadt an der Westküste. Hier decken wir uns erstmal mit Verpflegung für die nächsten Tage ein. Bei Geoff und Renée hab ich das erste mal "Porridge", eine Art Haferbrei mit Rosinen, Nüssen und Äpfeln gegessen und fand es richtig lecker. Und weil sich Haferflocken so gut transportieren lassen, packen wir erstmal ordentlich ein.



Angekommen in Greymouth.

Nach dem Einkauf geht's wieder auf die Straße, denn wir sind noch nicht an unserem Ziel angekommen. Wir wollen Richtung Norden nach Punakaiki, um von da aus morgen zu einer Zwei-Tages-Wanderung zu starten. Diesmal dauert es nicht lange, bis eine sympathische Frau anhält und uns mitnimmt. Sie kommt ursprünglich aus Großbritannien, ist früher selber rumgereist und dabei viel per Anhalter gefahren.
Wir fahren immer entlang an der Küste. Mittlerweile geht es Richtung Abend zu, der Regen hat auch langsam aufgehört und das ganze Meer mit der felsigen Küste erstrahlt im schönsten Abendlicht. Mal wieder ein Ausblick mit Wow-Faktor.
Die Fahrt dauert diesmal nicht lange, nur etwa eine halbe und wir sind da. Bevor wir uns um einen Schlafplatz kümmern, schauen wir uns aber erstmal die berühmten "Pancake Rocks" an. Diese sehen tatsächlich aus wie übereinander gestapelte Pfannkuchen und ich bekomme irgendwie Hunger. Die Felsen bestehen aus zwei Materalien, Kalksedimente und Tonminerale, die immer in Schichten übereinander liegen. Diese wurden schon vor Jahrmillionen gebildet und sind dann durch irgendwelche Landanhebungen irgendwann an die Oberfläche gelangt. Durch den Kontakt mit Wasser und den enormen Kräften der rauhen See sind Kalksedimente und Tonminerale schließlich erodiert, aber unterschiedlich schnell, was den Felsen heute das typische Aussehen gibt.

Pancake Rocks
Pancake Rock - mmhh. Oh, ich hab gerade geträumt, sorry!



Das ist übrigens Lisa.

Nach der kleinen Besichtigungstour geht's dann schließlich auf Suche nach einem geeigneten Schlafplatz. Eigentlich wollte wir irgendwo unser Lager aufbauen, aber das wird schwerer als gedacht. Vom ersten Platz werden wir weggescheucht. Schließlich kommen wir an einem Gebäude des "DOC" (Departement of Conservation) vorbei, die für die Nationalparks zuständig sind. Die Wiese vor dem Haus sieht einladend und es scheint jemand da zu sein, also wollen wir mal fragen, ob wir dort übernachten können. Die Tür öffnet uns "Chantelle". Sie kommt aus Deutschland und arbeitet gerade als Volunteer, also auf freiwilliger Basis, beim DOC. Sie ist allein in dem großen Haus, da sie momentan die einzige ist und hatte schon ein ziemlich mulmiges Gefühl gekriegt, als sie ein paar Gestalten ums heraus herumlaufen hat hören. Sie ist dann natürlich froh, dass wir keine Einbrecher sind und bietet uns sogar an, drinnen zu schlafen, da je sowieso keiner weiter da ist. Das große Outdoorerlebnis bleibt also erstmal aus. Aber so ist es ja auch schön. Wir kochen uns erstmal was, quatschen noch alle zusammen und gehen schließlich ins Bett.

Schantall, tu ma die Omma winken! Scherz beiseite, sie war echt nett!

Am nächsten Tag haben wir uns viel vorgenommen. Wir wollen eine Wanderung zum "Ballroom Overhang" machen und dort übernachten. Geoff hatte uns davon erzählt und es hörte sich alles so gut an.
Bevor wir aufbrechen, gibt's natürlich erstmal ein ordentliches Porridge-Frühstück. Mmmhh! Dann machen wir einen kurzen Stopp bei der Touristeninformation und besorgen uns nochmal ein paar weitere Infos und Kartenmaterial. Die nette Dame bereitet uns schon mal darauf vor, dass es sehr viele Flussquerungen gibt, also eigentlich geht man wohl ab der Hälfte der Tour nur durchs Flussbett. Das Wasser ist zwar nicht tief, aber wir werden wahrscheinlich unsere Schuhe anlassen, da jedes Mal an und ausziehen zu nervig wird. Aaaach quatsch, denke ich. Ich zieh die immer schön aus, also auf nasse Schuhe hab ich ja überhaupt keine Lust. Wenn's so schlimm wäre, hätte Geoff uns ja auch bestimmt davon erzählt.

Also ziehen wir frohen Mutes los. Das Wetter ist sogar richtig gut und wir voll motiviert. Zunächst geht es eine ganze Weile durch Regenwald. Sogar hier gibt es viele Palmen, was mich ziemlich überrascht. Neben den Palmen, gibt es aber noch viel mehr Farngewächse. Der Silberfarn ist nicht umsonst die Nationalpflanze Neuseelands und sogar auf der inoffiziellen Staatsflagge zu sehen. Immer wieder zwischendurch werden wir von kleinen Vögelchen begleitet.






Robin Bird

Nach kurzer Zeit treffen wir einen älteren Herren, der gerade die Wanderung aus der anderen Richtung kommt und für das DOC die Wanderwege unterhält. Er erzählt uns nochmal ein bisschen was zur Wanderung und weist dann auch nochmal auf die vielen Flussquerungen hin. Laut seiner Aussage sollen es 40 sein. In Worten VIERZIG! Au backe, ich bekomme langsam eine böse Vorahnung.
Nach einigen Stunden Gehzeit kommen wir an die erste Flussquerung an und waten - mit Schuhen in der Hand - durch das eiskalte Wasser. Ich kann nun ein bisschen verstehen, warum wir die Schuhe anlassen sollten, denn diese ganzen Steine im Flussbett tun doch ziemlich weh an den Füßen. Aber ja immer noch besser als nasse Füße.


Die erste Flussquerung. Lisa geht voran.

Die Wanderung geht weiter, immer nur durch Wald. Langsam wird's etwas langweilig und anstrengend. Dann schließlich kommen wir zu dem besagten Punkt mit den vielen, VIELEN Flussquerungen. Wir zählen mit. Lisa lässt ihre Schuhe ab der zweiten Querung an. Ab der achten Querung reicht es dann auch mir. Es tut einfach nur noch weh und zudem ist man ohne Schuhe viel zu langsam. Und irgendwie geht uns langsam auch die Zeit aus. Also Schuhe an und durch.
Spätestens jetzt wird die Wanderung richtig anstrengend. Das Wasser ist zwar meist nur knöchel- bis knietief, aber die Strömung ganz schön stark und die Ausrutschgefahr hoch.
Nach nun mittlerweile sechs stunden Wanderung kommen wir an eine Kreuzung. Wir gucken auf die Karte: "Hmm..das müsste doch dieser Punkt hier sein, dann müssen wir jetzt in diese Richtung, dann nur noch eine halbe Stunde und dann sind wir endlich da. Juhuu! (Große Freude auf beiden Seiten) Nee warte, stand da nicht auf dem Schild, dass der Fluss so und so heißt. Dann ähh...sind wir wahrscheinlich erst hier. Und das heißt, wir haben noch weitere anderthalb Stunden vor uns. Neeeiiiin!"
Für große Trauer ist jetzt allerdings keine Zeit. Wir müssen schleunigst weiter, damit wir noch vor Einbruch der Dunkelheit ankommen. Weitere zehntausend Flussüberquerungen später kommen wir schließlich an die richtige Kreuzung. Die Sonne ist längst untergegangen und wir versuchen im letzten Dämmerlicht noch was zu sehen. Diese Querung hier, scheint nochmal ziemlich fies zu werden, denn das Wasser ist hier tiefer als sonst. Aber für lange Überlegen ist keine Zeit, also durch. Das Wasser ist hüfttief, die Strömung ziemlich stark und wir mittlerweile auch echt ausgepowert. Aber wir schaffen es rüber und machen uns auf die letzten Meter.
Nach einer weiteren halben Stunde sehen wir im allerletzten bisschen Licht endlich das Schild: Ballroom Overhang. Wir sammeln etwas Feuerholz und versuchen ein Feuer zu machen. Aber das Holz ist nass und mittlerweile ist es auch ziemlich neblig. Keine Chance. Also dann kein Feuer und direkt in den Schlafsack. Nach einigen Minuten kann ich endlich wieder meine Füße spüren, toll dieser Schlafsack. Schließlich schlafen wir ein.
Neuer Tag, neues Glück. Ich wache auf: es regnet. Verdammt! Lisa erzählt mir vom nächtlichen Besuch des Opossums. Unsere Möhren, die sich eigentlich gut verpackt in Lisas Rucksack befanden, finden wir zehn Meter weiter mit diversen Bissspuren wieder.
Wir versuchen es nochmal mit einem Feuer und heute morgen klappt es sogar. Es gibt Porridge zum Frühstück.


Unser Lager unter dem Überhang.
Unser Feuer. Nicht gerade professionell, aber wir sind trotzdem stolz.

Gestärkt und mit neuer Kraft machen wir uns auf den Rückweg. Unsere Schuhe sind sowieso noch nass, deshalb machen uns auch die weiteren Flussquerungen nichts. Der Rückweg dauert nicht so lange. Nach drei Stunden kommen wir an der Straße nördlich von Punakaiki an und einigen uns darauf, dass das jetzt tatsächlich mal ein Abenteuer war. Mit dem Anhalter fahren wir zurück nach Punakaiki. Ein Paar aus Singapur nimmt uns mit.
Wir steuern das erstbeste Lokal an und freuen uns, als wir drinnen ein sehr sehr heißen Kamin entdecken. Wir dürfen sogar unsere Schuhe und Socken trocken. Jetzt erstmal einen schönen Kaffee und was warmes zu essen.

Auf dieser Weltkarte sollten alle Besucher des Lokals einen Pin setzen, von wo sie herkommen. Deutschland war leider schon "voll".
Nach zwei Stunden sind unsere Schuhe trocken und wir ziehen weiter. Wir schlagen unser Lager in einer Höhle auf, die wir zuvor ausgekundschaftet haben. Ist zwar irgendwie etwas gruselig, dafür aber schön trocken und sogar ziemlich warm. Und ein paar Glühwürmchen kann man hier sehen. So hell, wie ich sie mir vorgestellt habe, sind sie allerdings nicht.

Am nächsten Morgen wollen wir wieder zurück nach Greymouth und dann weiter südlich Richtung Hokitika, wo wir Diedrik treffen wollen. Ein Mädel aus Deutschland nimmt uns mit nach Greymouth. Dort stocken wir nochmal unsere Vorräte auf (natürlich ordentlich Haferflocken) und versuchen nach Hokitika zu kommen. Diesmal haben wir weniger Glück und warten und warten und warten. Es regnet. Nach ungefähr zwei Stunden hält zum Glück doch noch jemand an und nimmt uns mit. Es ist ein Farmer aus der Region. In Hokitika finden wir wieder eine Höhle und übernachten dort.

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